3. Beatmungs- und Informationsveranstaltung am 20.06.2015

11. Mai 2016
3. Beatmungs- und Informationsveranstaltung am 20.06.2015

Bereits zum dritten Mal fand die Beatmungs-und Informationsveranstaltung „Lebenswertes Leben mit ALS- für Betroffene von Betroffenen“ des ALS-mobil e.V. in der Fürst von Donnersmarck Stiftung in Berlin statt, Schwerpunktthema dieses Jahr war das „Selbstbestimmte Leben mit ALS“. Mit jedem Jahr steigt die Teilnehmerzahl, zu der Veranstaltung kamen ca. 100 Besucher, darunter 17 Rollstuhlfahrer.

Selbstbestimmt leben mit einer Erkrankung, die den Betroffenen nach und nach die Selbständigkeit raubt. Was es bedeutet und wie das gelingen kann wurde in mehreren Vorträgen von Pflegeexperten und Betroffenen, beleuchtet. Neben den Vielfältigen Informationen wurden auch viele Denkanstöße gegeben und Erfahrungen ausgetauscht.

Gleich den Anfang machte der Atmungstherapeut Ansgar Schütz, Atemhilfe Berlin. Bevor er tiefer in das Thema „ALS und Beatmung – Sekretmanagement bei invasiver und nicht Invasiver Beatmung“ einstieg, gab er zu bedenken: Selbstbestimmt leben heißt über die eigene Situation zu bestimmen, alle Therapiemöglichkeiten zu kennen und frühzeitig zu entscheiden wie weit jeder Betroffene gehen möchte. Diese Überlegungen sollen in Ruhe erfolgen und nicht erst wenn eine krisenhafte Situation entstanden ist. Und es geht darum, wie er sich ausdrückt „bereits in Friedenszeiten“ Informationen zu sammeln, damit sichergestellt werden kann, dass im Ernstfall im Interesse des Einzelnen gehandelt wird. Derzeit entscheidet sich die Mehrzahl der ALS-Patienten für die Nutzung von Husten- und atemunterstützende Hilfsmittel, jedoch insbesondere gegen eine invasive Beatmung.

Tobias Bayer, ALS-Betroffener, Ehemann und Vater von zwei Töchtern berichtete von seinen „Chancen zur Selbstbestimmung“. Er nahm uns auf seinen Ausflug zur Hanse Sail in Rostock, im vergangenen Jahr und seiner Fahrt mit der ganzen Familie auf einem Schiff, mit. Nach seiner Anfrage bei einer Rederei setzte diese alles daran ihn samt Rolli sicher an Bord und wieder an Land zu bringen. Ein weiteres Erlebnis war die Fahrt in einem Rettungskorb ganz nach oben. Hier zeigte eine Truppe Feuerwehrleute großen Einsatz und ermöglichte ihm diese außergewöhnliche Erfahrung. Fazit: Fragen bringt Freu(n)de und jede Menge Spaß. Den Vortrag hielt er gemeinsam mit einer Pflegekraft. Sie fungierte einerseits als sein Sprachrohr und brachte andererseits ihre Eindrücke bei diesen Aktionen fern des Pflegealltags zur Sprache.

Fortgesetzt wurde die Veranstaltung mit einem Dialog zwischen dem 1.Vorsitzenden des
ALS- mobil e.V., Oliver Jünke und Matthias Kirchner, Qualitätsmanagementbeauftragter beim Pflegedienst SAB Service für ambulante Beatmung gGmbH Berlin. Dabei wurde das vielschichtige Thema
„Nähe und Distanz wie verhält man sich? Wünsche äußern und befriedigen“ aus der Sicht eines Betroffenen und aus der Perspektive einer Pflegeperson erörtert. Das Publikum verfolgte die teilweise sehr persönlichen und auch provokanten Ein- und Ansichten der Beiden mit großem Interesse und so manchem bestätigendem Kopfnicken und verständnisvollem Lächeln. Zwei Schlagwörter waren „professionelle Nähe“ (Oliver Jünke) und „Beziehungspartnerschaft“ (Matthias Kirchner).

Dann war es schon wieder Zeit für das reichhaltige und köstliche Mittagsbuffet. Die Pause wurde neben der Stärkung auch für gute Gespräche, neue Kontakte und die Information an den Ständen der kleinen Industrieausstellung genutzt. Die räumliche Nähe und persönliche Atmosphäre ermöglichten es ganz ungezwungen Fragen zu stellen, neueste Geräte und bewährte Hilfsmittel auszuprobieren, zu fühlen und zu schmecken. Diese Gelegenheit wurde eifrig genutzt, so dass die Aussteller einhellig berichteten, dass der Kontakt hier intensiver als bei manch größerer Veranstaltung genutzt wurde.

Belebende Wirkung nach der Pause zeigte der Notfall – Workshop von Thomas Langer, Fachkrankenpfleger für Anästhesie und Intensivpflege und Kopf der Akademie Herzkreislauf,
Berlin. Angehörige und Pflegekräfte erhielten Gelegenheit an den zahlreichen Übungspuppen
ganz ohne Not und entspannt ihre Kenntnisse aufzufrischen und die Lebensrettenden Handgriffe zu den Rhythmen von Staying Alive der BEE GEEs zu trainieren. Daneben wurde das Publikum mit simulierten, potenziellen lebensgefährlichen Notfallsituationen konfrontiert. Die mit Hilfe von Freiwilligen aus dem Publikum und den Hinweisen des Dozenten aber alle behoben werden konnten. Den heiteren Abschluss bildete das Video der British Heart Foundation (www.youtube.com/watch?v=ILxjxfB4zNk)

Nach der Kaffee-Pause sprach Herr Dr. Tittmann von der CAPS, Berlin in Vertretung von Frau Dr. Rosseau über die S2 Leitlinie zur Außerklinischen Beatmung, und die darin begründeten Gedanken zur Selbstbestimmung der Betroffenen. Zwar taucht der Ausdruck „Selbstbestimmt“ in der Leitlinie nur einmal auf, das jedoch gleich in der Einleitung: „Das selbstbestimmte Leben hat neben der Qualitätssicherung der Beatmungstherapie oberste Priorität“. Und betont dadurch die Gleichrangigkeit zwischen der Expertise der Mediziner und dem Willen des Einzelnen zu jedem Zeitpunkt der Beatmungstherapie.

Abschluss und einen weiteren bewegender Höhepunkt des Tages bildete der Vortrag von Frau Dr. Ute Oddoy, ALS-Betroffene und Mutter. Sie erlaubt uns mit Ihrem Vortrag „ALS und minderjährige Kinder ein Blick aus zwei Richtungen“ an Ihren und den Erfahrungen ihrer Familienmitglieder teilzuhaben.

An Hand einer Studie zur Situation von Kindern deren eines Elternteil an einer Krebserkrankung leidet, zog Sie Parallelen zur Situation von Familien mit einem an ALS erkrankten Elternteil. Sie schilderte uns eindrücklich die Auswirkungen auf Verhalten und Entwicklung von Kindern verschiedener Altersgruppen, und gab Denkanstöße wie auf die Herausforderungen, die an den Familienverband und seine großen und kleinen Mitglieder gestellt werden auf konstruktiver Weise begegnet werden kann.

So endete die bislang vielschichtige und dabei persönlichste dritte Beatmungs- und Informationsveranstaltung des ALS-mobil e.V. Eines steht fest, die Tradition der Veranstaltung von Betroffenen für Betroffene wird auch im nächsten Jahr fortgesetzt. Vielleicht an einem anderen Ort, der noch mehr Interessierten den Besuch der Veranstaltung ermöglichen soll, vielleicht auch mit noch mehr Zeit zum Knüpfen weiterer wertvollen Kontakte und Gelegenheit zum Gedankenaustausch, denn leider war es in diesem Jahr nicht möglich aufgrund der räumlichen Begrenzung jedem Interessierten einen Platz zu gewähren. Es hat sich gezeigt, dass die Veranstaltung auch und gerade für Pflegekräfte eine gute Gelegenheit ist mehr über die Möglichkeiten und die Voraussetzungen für ein Selbstbestimmtes Leben der Betroffenen und den Anteil der Pflege daran zu erfahren.

Der ALS-mobil e.V. möchte sich besonders bei den Sponsoren bedanken, denn nur durch deren Hilfe ist es uns möglich diese Veranstaltung zu realisieren.

Sponsorenlogo für 20.06.2015 für webseite

 

Artikel verfasst von Elvira Leffers (Moderatorin der Veranstaltung)

 

Bericht in der beatmetLeben 05/2015: beatmetLeben 05/2015
3. Beatmungstag des ALS mobil e.V. 2015