Mein Traum vom Fliegen

29. Juni 2018
Mein Traum vom Fliegen

Ich bin Jan Grabowski vom Verein ALS-mobil e.V. aus Berlin. Wir haben uns die Mobilität trotz ALS auf die Fahne geschrieben.

Das letzte Mal Fliegen blieb lange in schlechter Erinnerung. Ich hatte durch die beginnende ALS 2009 noch Atemprobleme. Diese Erfahrung hat mich lange Zeit denken lassen, Fliegen wird wohl nicht mehr möglich sein. Aber der Mensch neigt ja dazu, entweder zu vergessen oder aber die Vergangenheit nach einer Weile rosiger zu malen. So erkläre ich mir heute, dass ich mich wieder mit dem Gedanken Fliegen beschäftigte und im Internet häufiger interessante Berichte las.

Ihr müsst dazu wissen, inzwischen werde ich rund um die Uhr invasiv über eine Trachealkanüle beatmet. Meiner Reiselust tat das aber keinen Abbruch. Ich war und bin viel mit dem Auto unterwegs, dass wir Rollstuhlgerecht umgebaut hatten. So bin ich damit zwei Tage lang bis nach Barcelona gefahren. Doch in meinem Kopf spukten wieder weitere Reiseziele wie Südspanien, Marokko oder Ägypten. Die sind aber mit Auto nur sehr kompliziert zu erreichen.

Um mobil zu sein, hatte ich gleich nach der Tracheotomie die Beatmungsgeräte mit Zusatz Akku bestellt, der die Zeit ohne Strom auf über acht Stunden stellt. Ein zweites Beatmungsgerät, zur Unterstützung einen Cough Assist mit Akku, eine mobile Absauge und reichlich Absaugkatheter, damit bin ich gerüstet für lange Autofahrten und natürlich auch für das Fliegen. Mit Dauerbeatmung kann mir ja kein Sauerstoffabfall nicht mehr passieren. So begann ich meine Recherchen. Mein Atemtherapeut und die Ärzte des Beatmungszentrums bestätigten mir die Unbedenklichkeit der Beatmungsgeräte beim Flug. Von der Beatmungsseite sollte es keine Probleme geben, sagten sie.

Nun war mein Feuer entfacht. Ich erfuhr, dass die EU festgelegt hatte, dass das medizinische Zusatzgepäck von der Fluggesellschaft kostenlos befördert werden muss. Also sollte ich mir um die Unmengen an Gepäck keine sorge machen müssen. Aufgrund der fehlenden Erfahrung mit Beatmung suchte ich mir einen Flug nach Malaga aus, und buchte ihn für mich, meine Frau und zwei Pfleger. Dann nahm ich per Mail Kontakt zur Fluggesellschaft auf, bzw. zu deren Spezialabteilung für Rollstuhlfahrer. Auf den Seiten der Airline hatte ich die Vorgehensweise für mich als Rollstuhlfahrer herausgefunden.

Sie wollten eine Bestätigung meines Hausarztes, dass ich fit für das Fliegen sei. Außerdem sollte ich eine Flugtauglichkeitsbescheinigung aller elektrischen medizinischen Geräte besorgen und eine Liste mit allen Geräten und allen Taschen mit Inhaltsangaben zum medizinischen Zusatzgepäck anfertigen. Diese, unterteilt nach Bord- oder Frachtraum, sollte natürlich maximale Gewichte und Maße haben. Gut das ich rechtzeitig angefangen hatte. Es wurde ein ordentliches Puzzle. Letztlich hat die Airline aber alles bestätigt.

Der Tag nahte, ich war gespannt, wie es praktisch ab 8. Mai letzten Jahres ablaufen sollte. Berlin-Tegel hat sich nicht mit Ruhm bekleckert dabei. Meine Pfleger sollten meinen elektrischen Rollstuhl alleine flugfertig machen und mussten die Abgabestation suchen. Als die Passagiere zum Boarding gerufen wurden, war ich verwundert. Normalerweise werden Rollstuhlfahrer zuerst ins Flugzeug gebracht. Auf Nachfrage hatte sie glatt vergessen, meinen Transport anzumelden. Also war Eile geboten. Ich kam als letzter in den Flieger. Umgesetzt auf den einer Sackkarre ähnlichem Kabinen-rollstuhl wurde ich an gaffenden Passagieren vorbei gekarrt und von diesem auf die Sitze gehievt. Bis ans Fenster natürlich. Rollstuhlfahrer müssen im Notfall ja nicht gerettet werden. Auf meinem Platz war es nach dem Start ohne Probleme so eng, dass meine langen Beine mangels Beweglichkeit und eingeklemmt bald einschliefen und wie der Po durch den ungewöhnlich harten Sitz etwa nach der Hälfte anfingen zu schmerzen. Durch minimale Stellungswechsel habe ich die 3:40h geschafft und bin sicher in Malaga gelandet.

Dort waren viele helfende Hände da, sodass ich schnell wieder auf meinem weichen Rollstuhl saß. Das war Service, wie später auch beim Rückflug. Wir wurden durch den Flugplatz begleitet, alles Zubehör wurde schnell bereitgestellt. Malaga wog dann die ganzen Strapazen auf. Mit Mietwagen und barrierefreiem Hotel, abgesenkten Bürgersteigen überall und sogar planierten Stränden, die selbst mit meinem schweren Elektrorollstuhl wunderbar befahrbar sind, waren wir sehr zufrieden. Die Umgebung, die Stadt und gesamt Andalusien kann ich sehr für einen Rollstuhlurlaub empfehlen.

Nach einer Woche war der Urlaub vorbei und der Rückflug stand an. Aufgrund der Erfahrungen vom Hinflug, polsterten wir diesmal Po, Arme und Halskrause ab und hatten nach problemlosen Transfer mit vielen helfenden Händen im Flugzeug Glück, dass meine Beine Platz hatten. Der Flug war dann schön. In Berlin gelandet, hatten sie wieder keinen Transfer für mich organisiert. Kein Wunder, dass die Fluggesellschaft inzwischen pleite ist. Ich habe mit der neuen Crew um die Wette gelächelt, bis nach einer Stunde auch ich das Flugzeug verlassen durfte.

Meine Konsequenzen daraus sind folgende: Fliegen mit Beatmung und allem notwendigen Equipment ist gut möglich. Man sollte aber vieles lange vorher organisieren. Ich muss mit meinen 1,90m besser auf Beinfreiheit achten, also um sicher zu gehen Business-Class, und mein Sitzkissen muss unter den Po.

In diesem Sinne, traut euch. Der Traum vom Fliegen lebt!

 

Weitere Informationen findet ihr auch hier http://mobilista.eu/305/heimbeatmung-und-flugreisen-es-beim-fliegen-beachten-gibt/

Ansonsten stellt eure Fragen rund ums reisen mit ALS gerne an uns reisen@als-mobil.de