Peter

20. August 2023

Mein Name ist Peter. Ich bin 41 Jahre alt und komme aus Dinslaken in NRW und bin die Pflegeperson meiner Mutter, die seit Mai 2023, also noch ganz frisch, nach einem langen Arzt- und Krankenhausmarathon, die Diagnose ALS erhalten hat.

Ihr kennt es alle selber; für einen Menschen, wie meine Mutter, der sein ganzes Leben lang selbstständig war und dann auf Hilfe angewiesen ist, ist die neue Situation sehr schwer zu akzeptieren.

Ich schreibe hier über den langen Leidensweg meiner Mutter bis zur endgültigen Diagnose.


Ihre Symptome kamen schleichend.

Es fing mit den Händen an. Schon im letzten Sommer 2022 bemerkte meine Mutter Schwierigkeiten beim Greifen und leichte Ungeschicklichkeiten. Wenn sie  z. Bsp.. beim Vorbeireiten des Mittagessens geholfen hat oder gestrickt hat, fielen ihr die Dinge aus der Hand. Außerdem hatte sie in dieser Zeit Muskelkrämpfe.

Uns Angehörigen ist aufgefallen, das meine Mutter zu diesem Zeitpunkt schon einen ziemlich krummen Gang eingenommen hatte. Dummerweise stand bei ihr Zeitgleich eine Hüft–Op an, so dass wir und auch die Ärzte, die ersten Symptome ihrer ALS auf die kaputte Hüfte geschoben haben. Im Sommer 2022 hatte sie ihren ersten Sturz im Garten. Es ist ihr, Gott sei Dank, nichts passiert und wir waren so blauäugig das wir immer noch glaubten mit dem einsetzten eines neuen Hüftgelenks sei die Sache erledigt.

Meiner Mutter selbst kam die Sache doch ziemlich eigenartig vor. Sie war bei verschiedenen Ärzten, u.a. der Hausärztin und dem Orthopäden, und fragte ob hinter ihren Symptomen nicht etwas anderes stecken könnte. Doch diese konnten sie immer wieder „beruhigen“ und waren der Meinung, sie solle sich erstmal die Hüfte Operieren lassen.


Februar 2023:

Meine Mutter hat die Hüft-Op gut überstanden und sollte eine ambulante Reha in einer Nachbarstadt machen. Diese brach sie nach einem Tag, wegen ihrer zunehmenden körperlichen Beschwerden ab. Sie konnte sich damals schon nicht mehr selbstständig anziehen und immer noch hatten wir den Irrglauben, dass sich die Symptome irgendwann bessern würden. Einige Wochen später folgte, immer noch wegen der neuen Hüfte, eine stationäre Rehabilitation.

Mittlerweile konnte sie auch immer schlechter laufen. Ohne Rollator ging es gar nicht mehr.

In der Orthopädischen Klinik war meine Mutter vollkommen Falsch und körperlich überfordert. Sie konnte nicht mal mehr einen Aufzugknopf drücken, musste morgens von den Pflegekräften angezogen werden und beim Frühstück mussten ihr andere Mitpatienten helfen sich z. Bsp. einen Kaffee einzuschenken.

Zu allem negativen Überfluss bekam sie in dem Haus auch noch ihre erste Corona Infektion.

Die Ärzte in der Rehaklinik hatten keine Ahnung was ihr fehlte und “tippten” auf Muskeldystrophie.

Wir hatten einige Wochen vorher eine Doku über ALS im Fernsehen gesehen. Meine Mutter ahnte schon etwas und sprach ihre Hausärztin direkt darauf an ob es sich nicht um ALS bei ihr Handeln könnte?

Fast schon beleidigt herrschte die Ärztin meine Mutter an:

Wie kommen Sie denn darauf?

Damit war die Sache für die Allgemeinmedizinerin erledigt.

Dennoch überwies sie sie zum Neurologen mit dem Satz:

“Können Sie ja mal machen.

Als der Neurologe meine Mutter in seiner Praxis sah, schlug er die Hände über dem Kopf zusammen. Er wusste sofort was hier Sache war und war fassungslos, dass niemand vorher darauf gekommen war.

Zu der erfolglosen Hüft-Reha sagte er nur: “Die hätten Sie sofort nach Hause schicken müssen.” Ihre Paresen in den Armen und Ihr gebeugter Gang ließen für ihn dann auch keine Zweifel mehr.

Er überwies meine Mutter mit der Verdachtsdiagnose einer Neuromuskulären Erkrankung und mit dem Zusatz – EILT – ins Krankenhaus zur genaueren Diagnose.

Diese bekam sie im Mai 2023 nach der üblichen Diagnostik in einer Klinik, die im Bereich ALS sehr kompetent ist.

Sie lautete: Motoneuronerkrankung mit V.a. Amyotrophe Lateralsklerose und wurde jetzt im August bei der Verlaufskontrolle bestätigt.


Meine Mutter kann noch am Rollator laufen, da die Beine , Gott sei Dank, noch nicht betroffen sind.

Sie erhält, ihr kennt es alle, weiterhin Pysio- und Erghotherapie und wurde auf das Medikament Riluzol eingestellt.

Ich möchte mich an dieser Stell herzlich bei meinem Bruder bedanken, der, obwohl er selber famillär und beruflich sehr eingespannt ist, uns sehr gut unterstützt. Er fährt meine Mutter u.a. zu Terminen (Krankenhaus, Sanitätshaus und erledigt noch viele andere Dinge für uns).

– In Notsituationen merkt man erst was Familie bedeutet. –


Mein Vater und ich helfen ihr bei allen Verrichtungen des Alltags, da sie mittlerweile immer mehr Hilfe braucht.

Ein Pflegedienst und eine Reinigungskraft unterstützen uns aktuell dabei.

Zur Zeit hat meine Mutter Pflegegrad 2 und ich arbeite gerade daran das sie einen höheren bekommt und außerdem ihren Schwerbehindertenausweis.

Der Freundeskreis um meine Mutter ist leider sehr klein geworden. Viele, denen sie früher selbst geholfen und beigestanden hat, haben sich zurückgezogen.

[ ALS-mobil e.V.: Leider ist dies eine absolut typische und sehr häufig auftretende Situation nach der Diagnosestellung. ]

Lediglich eine gute Freundin unterstützt uns, u.a. durch Einkäufe, sonstige Besorgungen und regelmäßige Besuche. Das rechne ich ihr hoch an und sage an dieser Stelle ebenfalls : DANKE.


Die Diagnose war für uns alle ein Schock und wir hoffen trotzdem auf eine gute Zukunft.


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