Immer geht’s ums liebe Geld

15. November 2017
Immer geht’s ums liebe Geld

Als ich krank wurde und dann sehr schnell nicht mehr laufen konnte, bekam ich einen Rollstuhl verschrieben.

„Ist doch logisch, brauch ich ja. Jeder Mensch bekommt natürlich das Hilfsmittel in dem Umfang wie er es benötigt“, dachte ich in meiner sozialstaatlichen Naivität zumindest, bis dorthin noch nie mit dem Thema konfrontiert. Dass es nicht so, sondern vor allem langwierig ist, oftmals viele Nerven und Tränen kostet, von der Kraft, die man investiert mal ganz abgesehen, lernte ich sehr schnell auf sehr unangenehme Weise. Es geht nicht um Luxus, nicht um Statussymbole, nicht um Überversorgung, es geht nur um eine adäquate Versorgung. Selbst wenn man die Bestätigung der Kostenübernahme des dringend benötigten Hilfsmittels endlich in Händen hält, hat man noch lange keine Garantie, dass es auch zeitnah geliefert wird. Traurig, traurig und sehr tragisch für die Betroffenen. In meiner „Krankenkarriere“ habe ich schon so viel kostbare Lebenszeit mit dem Kampf und dem Warten um und auf Hilfsmittel vergeudet, dass ich immer noch stinkesauer bin. Und dies ist nur eins der zahlreichen Gefühle, die hochkommen, wenn ich an diese Momente denke. Ich bin sauer, ich bin enttäuscht und ich bin gedemütigt darüber, wie ich behandelt wurde. Ich bin frustriert keine Wahl zu haben und zwischen der Krankenkasse und dem Versorger zu sitzen – und grundsätzlich der zu sein, der unter dieser Wirtschaftspolitik zu leiden hat. Es geht nie um die gute Versorgung kranker, alter und behinderter Menschen, es geht nur um Gewinne um Einsparungen und ja, um Geld. Natürlich.

Sicherlich hat wohl kaum ein Geschäftsmann ein Sanitätshaus eröffnet, weil er es nicht mehr mit ansehen konnte wie schlecht seine geliebte Omi von dem ihr zugewiesenen Sanitätshaus der Krankenkasse versorgt wurde. Sollte man nicht dennoch denken, dass die Eigentümer und Mitarbeiter der Versorger und ebenso oder vor allem die der Krankenkassen, erahnen müssten, mit was für Schicksalen sie jeden Tag konfrontiert werden. Wie sehr sie ein Leben mit einer guten, ausreichenden und schnellen Versorgung verbessern könnten? Wie viel Wut und Trauer und Hilflosigkeit sie verhindern könnten? Schlicht und einfach: Wie viel mehr sie ein Leben im Alter, mit Krankheit und Behinderung lebenswerter machen könnten?

Aber weit weg von all der Menschlichkeit, von all dem Mitgefühl und dem Respekt, herrschen Menschen über die Versorgung und somit auch über das Leben der Betroffenen mit der Schraub- zwinge der Kostenersparnis. Und dies dürfen sie, denn Menschen wie ich können sich nicht in ein Gesetz retten, in dem klar steht wie und in welchem Umfang und Zeitraum versorgt werden muss. Es gibt keine Strafen für die Krankenkassen oder die Versorger und keine Entschädigung für mich, wenn zum Beispiel mein Rollstuhl, der nur ein Wiedereinsatz ist, ein halbes Jahr nicht ausgeliefert wird. Immer wieder höre ich von gesunden, nicht Betroffenen die Worte:

„Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Das kann man ja gar nicht glauben.“ und dem stimme ich zu.

Meistens ist es wirklich unglaublich. Und doch gibt es da diesen einen Versorger in meinem Leben, der mir das Gefühl gibt, dass er es vereinen kann, das Geld verdienen und die Menschlichkeit. Und ich wünschte diese Einstellung würde sich wie ein Ruck durch die Reihen der Krankenkassen und Versorger ziehen und wenn nicht, hoffe ich auf eine Anpassung der Gesetze. Denn letztendlich können nur diese die Versorgung regeln und Menschen wie mich in diesen Situationen schützen und stärken.

 

Sabine Niese ist verheiratet und Mutter von drei Söhnen.

Seit 2009 weiß sie von ihrer ALS-Erkrankung. Sie führt einen Videoblog auf youtube, hat mit einer Freundin den Jakobsweg befahren und ist auch sonst

in ihrem Leben aktiv und kritisch wo es sein muss.

Sie ist Initiatorin und Gründerin der Kampagne „Kennst Du ALS?“ unter dem Dach des Vereins Chance zum Leben-ALS e.V.

Danke der beatmet leben.

Danke liebe Sabine.