Der Versuch zu rekapitulieren – oder was um Gottes Willen läuft in der Politik verkehrt?

9. Februar 2021

Da kommt also Jens Spahn vom Bundesministerium für Gesundheit auf die tolle Idee:

Wir müssen Intensivpatienten schützen. Schützen vor kriminellen Strukturen.

08/2019

1. Eine kurze Chronologie

  • Er „zaubert“ ein Gesetz mit dem Kürzel RISG aus der Schublade. Kurz gesagt: Intensivpflege nur noch im Heim. Punkt.
  • Proteste kommen aus fast allen Ecken. Lob von ganz wenig Seiten. Die Heimbetreiber freuen sich.
  • Aus RISG wird IPReG. Bestandsschutz rein. Ganz salopp gesagt: „Oh, schlecht: schützen vor einem Gesetz ist vielleicht doch nicht so gut“ – hat das BMG selber gemerkt. – 12/2019 –
  • IPReG Vers. 2 kommt. Es gibt “Anhörungen”, Kritik von fast allen Seiten. Vereinzelt Lob. Ignoranz de luxe im BMG.
  • Hin & Her. In den Heimen sterben die Bewohner inzwischen an Corona. Ignoranz par excellence im BMG.
  • Proteste. 49 Wochen lang. Allen Widrigkeiten zum Trotz. Unzählige Stellungnahmen und Expertisen, die mehr oder weniger alle den Verlust der Selbstbestimmung nicht dulden. Vereinzelt Lob.
  • Änderungen. Pseudo öffentliche Anhörungen. Versprechen der SPD. “Änderungen” zwei Tage vor dem Termin. OHNE Öffentlickeit. … Hurra – wir sind die Helden. … Kritik ohne Endevereinzelt Lob. – 07/2020 –

Das Nachrichtenmagazin Kobinet hat eine gute Zusammenfassung verfasst:
https://kobinet-nachrichten.org/2020/07/03/deja-vu-bei-bundestagsdebatte-zur-intensivpflege

“…das alles nicht stimme, dass wir Ängste schüren würden, dass wir keine Ahnung haben – Bla-Bla-Bla. Nur um dann erleben zu müssen, dass sich die Abgeordneten der Regierungskoalition am Ende so toll fanden, dass sie noch eine Reihe von Änderungsanträgen verabschiedet haben, weil der Druck der Straße zu groß wurde und sie plötzlich doch das eine oder andere Detail der komplizierten Regelungen verstanden haben.”

2. Vereinzelt Lob? Von wem denn eigentlich so?

Wer freut sich, dass das BMG auf ihn gehört hat? Die Krankenkassen, na klar doch.

Und der Verein Schädel-Hirn-Patienten in Not e.V. auch? Warum nicht?

ABER, einen Moment mal…

War das Ziel des IPReG nicht irgendwie “Schützen vor kriminellen Strukturen”?

Ist denn der Vorsitzende des Vereins Schädel-Hirn-Patienten in Not e.V. nicht vorbestraft? Wegen Betrug, versuchten Betrug und Untreue? “Schützen” vor Kriminellen?

… Quelle: https://www.focus.de/politik/deutschland/justiz-landrat-in-not_aid_226337.html

Dieser Vorsitzende freut sich, dass beim Gesetzgebungsverfahren auf ihn gehört wird? Na klar.

Wir möchten seine „Expertise“ nicht unbedingt in Abrede stellen – es ist aber absolut unprofessionell, dass sich der Herr Vorsitzende in seiner Stellungnahme an den Gesundheitsausschuss eine ganze Seite (von 4) ausschließlich der Verunglimpfung anderer Experten widmet.

…Quelle: https://www.bundestag.de/resource/blob/701056/cc2d6ea892417c254202ba822d856c7e/19_14_0155-1-1-_BV-Schaedel-Hirnpatienten_GKV-IPReG-data.pdf

Mal ganz davon abgesehen das dieser Verein Schädel-Hirn-Patienten in Not e.V. u.a. von Krankenkassen finanziert wird – zu den Mitgliedern zählen ernsthaft 156 (❗️) Pflegeheime und 55 (❗️) Kliniken? … Bei einem Gesetz, das vom ersten Entwurf an Menschen genau dahin zwingen möchte ⁉️

….Quelle: Seite 3 https://www.schaedel-hirnpatienten.de/assets/matrix-selbstauskunft-2019_shp.pdf

3. Spahn ist Schirmherr des Vereins?

Als kleines – nicht feines – Sahnehäubchen oben drauf:

Der Herr Minister ist mal eben auch gleich noch Schirmherr von Vereinsveranstaltungen oder gar vom Verein. In der Mitgliederzeitung WACHKOMA wird es jedenfalls stolz so kundgetan. (Danke für den freundlichen Hinweis von mehreren Mitgliedern dieses Vereins.)

…Quelle: Seite 4 ff https://schaedel-hirnpatienten.de/assets/blaetterfunktion/samples/basic0220/index.html ODER  https://www.als-mobil.de/wp-content/uploads/nentwig1.png

Die Quintessenz

Also – der “Erfinder” des RISG/IPReG ist dann also Tatsache Schirmherr bei dem einzigen uneingeschränkten Befürworter dieses Gesetzes?

Wäre dieser Hauptbefürworter nicht identisch mit dem Experten (mit der gefühlt meisten Redezeit) im Gesundheits­ausschuss, wäre das “Geschmäkle” ja gar nicht so groß, ABER … einen Experten / Verein einladen (bei dem der Herr Minister gleichzeitig Schirmherr ist), damit er mir mein Gesetz schönredet, das alle anderen im besten Fall für illegal halten, weil es offen gegen die UNBRK verstößt … mit nachweislich falschen bzw. unwahren und fehlerhaften Argumenten – und darauf mehr oder weniger dann die Ausschussempfehlung aufbauen – irgendwie klingt das nach viel mehr als ein „Geschmäkle“.

4. Politik mit Jens Spahn geht jetzt scheinbar so

  • Aus Kostengründen die Grundrechte (Selbstbestimmungsrecht, Recht auf Unversehrtheit der Wohnung usw.) von kranken Menschen abschaffen wollen. Ganz offen gegen geltende Gesetze verstoßen wollen.
  • Für das Ministerium für Gesundheit kommt der Entwurf im besten Fall schlecht rüber – also schnell einen Grund suchen. Eine valide Datenbasis existiert scheinbar nicht. Böse kriminelle Pflegedienste mit einem Generalverdacht belegen passt irgendwie immer. Patientenschutz sowieso. Solide Datenbasis? Seriöse Fakten? NEIN.
  • Experten sind immer toll. Wenn man keinen findet, der uneingeschränkt dieser Sache zustimmt, nimmt man zur Not eben einen rechtskräftig Verurteilten. Verurteilt wegen Abrechnungsbetrug gleich noch dazu. – (Genau davor möchte man aber doch schützen?) – Einen, der zwar selber kriminell ist/war (muss man ja nicht erwähnen), einen der irgendwie ganz viele Pflegeheime vertritt, aber bei dem man als Minister mit einer Schirmherrschaft viel Zustimmung abholen kann.
  • Öffentlichkeit ist im Gesetzgebungsverfahren eigentlich vorgeschrieben – aber Corona ist gerade sehr passend um diese außen vorzulassen. “Öffentliche Anhörung” im Gesundheitsausschuss OHNE Publikum. … So ganz ernsthaft – wir denken uns das nicht aus.
  • Die SPD könnte protestieren – also passt doch eine finale Abstimmung im Bundestag (2. & 3. Lesung innerhalb von 30 Minuten) am selben Tag wie die Grundrente super. Die offenen Grundrechtsbeschneidungen werden schnell umgeschrieben in “berechtigte Wünsche”.
  • BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN FDP & DIE LINKE, die Tatsache einen gemeinsamen Änderungsantrag eingereicht haben und die vom ersten Tag an Veto gegen dieses Unrecht eingelegt haben – haben leider zu wenig Stimmen …

Das IPReG wird beschlossen. Betroffene haben jetzt nur noch „berechtigte Wünsche“ anstelle von uneingeschränkten Grund- und Menschenrechten, aber die GroKo verkauft das Gesetz mal eben als einen großen Erfolg zum Wohle der Intensivpatienten. Das diese Regelung Grundrechte von Intensivpatienten an Bedingungen knüpft, und somit weiterhin gegen das GG und die UNBRK verstoßen wird, wird verschwiegen.

5. NEIN, das Gesetz ist NICHT in Ordnung. Es ist KEIN Erfolg.

…wenn ein Automatismus zum Heimzwang rausgeschrieben wird – das ist eine Selbstverständlichkeit! Das ist geltendes Recht! Das wird mit dem IPReG weiterhin ganz klar gebrochen.

Liebe Corinna Rüffer, liebe Nicole Westig, liebe Pia Zimmermann, DANKE.

Sie lassen uns dennoch etwas an diese Politik hoffen. Diese offenen Mauscheleien, Lügen und UNBRK Verstöße werden also doch nicht komplett ignoriert im Bundestag.

Frau Bärbel Bas, Frau Heike Baehrens, Liebe SPD:

“Berechtigte Wünsche” als Erfolg feiern, obwohl in der Definition im SGB IX ausdrücklich „Wirtschaftlichkeit“ erwähnt wird, und nachdem man so unglaublich „vorgeführt“ wurde vom Koalitionspartner, ist sehr sehr bitter.

Dass es eine zu erwartende Kostenverschiebung zu Lasten der Bundesländer geben wird gleich ganz verschwiegen. Die Krankenkassen freuen sich, die Sozialhifeträger sind ahnungslos. Die Betroffenen sind seit mehr als 11 Monaten in ihrem Grundvertrauen in die Politik erschüttert.

6. Die erschütterne Wahrheit

Seit mehr als 11 Monaten wurden wir von der Union, mit Billigung der SPD, in Angst und Schrecken versetzt. Vollkommen grundlos und ungerechtfertigt. Ohne solide Daten. Ganz offen mit einer Heimzwangandrohung vom ersten Entwurf an.

Sehr geehrter Herr Spahn, es entspricht nicht der Wahrheit, wenn Sie behaupten, dass die Selbstbestimmung nicht angetastet wird. Sie haben viele Monate wissentlich schwerstkranken Menschen Angst eingejagt. Wir kennen nicht ein öffentliches Zitat von Ihnen, in dem Sie klar stellen, dass Intensivpatienten selbstverständlich die gleichen Grund- & Menschenrechte haben, wie ALLE anderen in diesem Land.

O-Töne von Herrn Spahn

Wir hatten u.a. Ende August 2019 in Zossen die Gelegenheit Ihnen Herr Spahn konkret folgende Frage zu stellen: “Warum wird an der Selbstbestimmung der beatmeten Patienten gerüttelt? Warum kann Ihr Haus (BMG) nicht klipp und klar sagen es bleibt bei der Selbstbestimmung?”

Die “Antwort”, wenn man sie denn so nennen möchte, dürft ihr euch selbst antun:

V.i.S.d.P. : Jens Matk

jens.matk@als-mobil.de

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